Implantatsuprakonstruktionen

Da Implantate hauptsächlich deshalb inseriert werden, um Zähne zu ersetzen (Ausnahme ist z. B. die kieferorthopädische Indikation zur Befestigung von Bögen an einem festen Punkt in der Mitte des Gaumens), wird sich die Suprakonstruktion nicht grundsätzlich vor derjenigen unterscheiden, die auf natürliche beschliffene Zähne aufgebracht wird, wenngleich es natürlich Unterschiede gibt.

Besonderheiten implantatgetragenen Zahnersatzes:
Natürliche Zähne sind bindegewebig und somit beweglich im Knochen aufgehängt, sie üben bei Belastung einen Zug auf den umliegenden Knochen aus, was den Knochen zum Wachstum anregt.
Implantate hingegen sind nach deren knöcherner Einheilung fest im Knochen verankert, bei Belastung üben sie Druck auf den umliegenden Knochen aus.

(Der Druck auf den Knochen soll piezoelektrische Effekte verursachen, die von den Rezeptoren im Knochen registriert und an das Zentralnervensystem weitergeleitet werden, so daß nach einiger Zeit auch mit Implantaten der Kaudruck wahrgenommen werden kann, allerdings in weitaus geringerem Maße als mit natürlichen Zähnen, bei denen sich viele Zugrezeptoren im bindegewebigen Zahnhalteapparat befinden.)

Die unterschiedliche Befestigungsweise von natürlichen Zähnen und Implantaten im Knochen erklärt, weshalb möglichst keine Brücken mit natürlichen Zähnen und Implantaten als Pfeilerkombination eingegliedert werden sollten: Die Beweglichkeit der natürlichen Zähne bei Belastung lockert mit der Zeit die knöcherne Befestigung der Implantate im Kiefer. Es gilt also der Grundsatz: Brücken dürfen entweder nur zahngetragen oder nur implantatgetragen sein. Bei Prothesen kann von diesem Grundsatz  abgewichen werden, da das Tertiärteil, welches die Prothese mit dem Sekundärteil auf dem Implantat verbindet (z. B. die Nylonkappe auf dem Kugelkopf) ohnehin ein gewisses Spiel bei Belastung hat (siehe auch Artikel zur Implantologie 8/2013).

Befestigungsmöglichkeiten:
Die einfachste Art der Befestigung stellt wie beim natürlichen beschliffenen Zahn die Zementierungder Krone auf dem Sekundärteil dar. Im Unterschied zum beschliffenen Zahn, wo dessen Neigungswinkel des Stumpfes bei der Präparation nur annähernd die ideal angestrebten 6 ° betragen kann, ist dies bei der industriellen Fertigung der Metallteile problemlos möglich, was gewährleistet, daß zementierte Kronen sich von den Sekundärteilen praktisch nie lösen.
Sollten die Achsrichtungen von Brückenpfeilern geringfügig disparallel sein, können die Sekundärteile auch in Maßen beschliffen werden, um das Eingliedern zu ermöglichen, bei stärkerer Kippung der Achsrichtungen zueinander können abgewinkelte Sekundärteile (bis zu 25 °) verwendet werden. Manche Hersteller bieten neben der individuell möglichen Implantatherstellung auch individuell gefertigte Sekundärteile an.

Bei implantatgetragenen Einzelkronen kommt es häufiger vor, daß sich nach einiger Zeit des Tragens die Verschraubung des Sekundärteils im Primärteil, dem Implantat selbst, lockert. Dies führt bei zementiertem Zahnersatz regelmäßig zur Neuanfertigung der Krone, aber auch, wenn die Krone auf dem Sekundärteil statt zementiert, verschraubt eingebracht wurde, wird sie in diesem Fall kaum zu retten sein, da nach dem Festdrehen des Implantatsekundärteiles die Krone ebenfalls nur gedreht wieder eingebracht werden könnte. (Um einen definierten Einschub zu gewährleisten, haben die Sekundärteile alle Abflachungen oder Einkerbungen, die das beliebige Drehen der Krone auf dem Sekundärteil verhindern sollen.)
Relativen Schutz gegen das Lockerwerden des verschraubten Sekundärteiles im Implantat bietet beim Einschrauben ein Drehmomentschlüssel. Dessen Anwendung setzt natürlich voraus, daß das Implantat auch den nötigen Drehwiderstand bietet, d. h., daß es ordnungsgemäß eingeheilt ist. (Bei Implantaten, die mit Knochenersatzmaterialien zur Einheilung gebracht wurden und die zudem keine Schraubgewinde im Knochen besitzen, kann u. U. der Drehwiderstand zu gering sein und sich beim Eindrehen des Sekundärteils das Implantat im Knochen selbst drehen.)

Wird eine Brücke eingegliedert oder werden mehrere Einzelkronen miteinander verblockt, können sich die Sekundärteile naturgemäß kaum aus den Implantaten lösen. Derart zementierte Suprakonstruktionen sind sehr stabil, bei verschraubten hingegen werden des öfteren Lockerungen der Schrauben beobachtet, weshalb zumeist für die Brückensuprakonstruktion die Zementierung bevorzugt wird. 

Werden ein oder mehrere Implantate im Kiefer in Kombination mit einzelstehenden Zähnen zur Aufnahme von Konuskronen benutzt, so kann auf dem Implantat genau so wie auf dem beschliffenen Zahn eine Konuskrone zementiert werden, von der dann die herausnehmbare Prothese getragen wird. Diese Konstruktion hat sich als zweckmäßiger erwiesen als die Verwendung vorgefertigter Koni als Sekundärteile, da sie dem Zahntechniker bei der Anfertigung mehr Flexibilität gibt.
Eine rein implantatgetragene Konuskronenprothese hingegen kann eher mit vorgefertigten Koni als Sekundärteil gefertigt werden. Voraussetzung dafür ist die absolute Parallelität der Achsrichtung der Implantate, welche nur mittels Bohrschablonen bei der Implantation erreicht werden kann - dieser idealen Vorgehensweise steht oftmals aber die lokale Knochensituation entgegen.
Versuche mit zusätzlicher magnetischer Fixation der Prothese auf den Koni sind unternommen worden.

Nicht bewährt haben sich hingegen bedingt herausnehmbare Suprakonstruktionen, die eine Zwischenstellung zwischen fest verankerten Brücken und herausnehmbaren implantatgetragenen Prothesen einnahmen. Diese Suprakonstruktionen konnten nur in der Zahnarztpraxis zwecks Reinigung ausgegliedert und wieder befestigt werden mittels verschiedener Verschraubungen, was für eine suffiziente Prothesenreinigung natürlich nur viel zu selten erfolgen konnte, es sei denn, der Patient hätte sich wöchentlich in der Praxis zu diesem Zweck vorgestellt.

Prothesen, die auf ein bis zwei Implantaten getragen werden, können gut mit Kugelköpfen als Sekundärteil und Nylonkappen als Halteelement in der Prothesenbasis fixiert werden. Es gibt Nylonkappen mit unterschiedlichem Abzugswiderstand. Beim Eingliedern verspürt der Träger der Prothese ein etwas weicheres Einrasten als bei einem Druckknopf.
Dem "Druckknopfgefühl" näher kommt die Goldmatrize, die anstelle der Nylonkappe die Prothese auf dem Kugelkopf halten kann. Eine hochelastische Goldlegierung bietet die dazu nötige Elastizität, die Retentionskraft kann mittels geeigneten Instrumenten reguliert und ggf. nachjustiert werden.
Leider hat sich die Vorstellung einer guten Reparaturfreundlichkeit des Kugelkopf- Nylonkappensystems nicht bestätigt. Zwar kann die Nylonkappe bei Verwendung einer Metallhülse in der Prothesenbasis aus dieser gut herausgehebelt und eine neue problemlos eingefügt werden, zumeist aber stellt dabei sich heraus, daß auch der Kugelkopf auf dem Implantat abgenutzt ist und ausgetauscht werden muß. Stetes Reiben der Nylonkappe auf dem Kugelkopf beim Kauen und auch nur beim Tragen der Prothese läßt dessen Umfang rasch kleiner werden. 

Hygienisierbarkeit:
Wie schon im Artikel "Implantologie" (8/2013) erwähnt, ist die exzellente Reinigung der Implantate und Suprakonstruktionen Voraussetzung für den Langzeiterfolg.
Herausnehmbare Prothesen müssen täglich mindestens zweimal gebürstet werden, besser aber nach jeder Mahlzeit, gleiches gilt für fest verankerte Kronen und Brücken, die zu diesem Zweck hygienisierbar gestaltet sein müssen, d. h., der Patient muß in der Lage sein, mit der Zahnbürste und der Zwischenraumbürste alle Beläge und Speisereste, auch unter den Brückenzwischengliedern, zu entfernen.
Enge Spalten zwischen festsitzendem Zahnersatz und Kieferkammschleimhaut verbieten sich daher, was mitunter in der Konstruktion deutlich zu Lasten der Ästhetik gehen kann. Lediglich im Frontzahnbereich sind diesbezüglich Kompromisse vertretbar.

Da vor allem im Seitenzahnbereich Implantate einen wesentlich geringeren Durchmesser als natürliche Zähne haben, muß zum Zweck der Hygienisierbarkeit die Krone zum Implantathals hin sehr schlank gestaltet werden, d. h. das Emergenzprofil der Krone wird erst zur Kaufläche der Krone hin etwa die Breite des natürlichen Zahnes erreichen. Die Form einer solchen Krone kann sich je nach Länge deutlich von der eines natürlichen Zahnes unterscheiden.

Materialien: 
Vollkeramikkronen auf Implantaten sind nicht zu empfehlen, die Form des Sekundärteils würde deren rasches Zerbrechen bewirken. Auch wenn es hin und wieder vorkommt, daß Patienten die stabilste Form der Suprakonstruktion auf einem Implantat wünschen, die unverblendete Vollgußkrone, so wird doch in den allermeisten Fällen die zahnfarbige Vollverblendung gewählt mit Metallgerüst - die Metallkeramikverblendkrone.
Um keine elektrochemischen Elemente zu bilden, wurde in früheren Zeiten als Metallgerüst der Krone nur Titan verwendet - dessen aufwendiger Gußprozeß unter Argon als Schutzgas und dessen schlechter Verbund mit der aufgebrannten Keramikverblendung ließen auch auf Implantaten als Gerüstmetall für die Kronen die Chrom- Kobalt- Molybdän- Legierung zur Anwendung kommen (siehe Artikel "Kronen und Brücken aus Nichtedelmetallegierungen" 10/2012). Da bei beiden Materialien durch Oxidbildung eine absolut passive Oberfläche existiert, ist die Gefahr einer Elementbildung nicht gegeben.
(Wird Titan mit dem Hartmetallfräser beschliffen, bilden sich sogar Funken, da die verletzte Oberfläche sofort mit dem Luftsauerstoff eine neue Titanoxidoberfläche bildet, die zugleich im Gegensatz zu Eisen vor weiterer Korrosion schützt.)


Kostenübernahme durch die Gesetzlichen Krankenkassen:
Mit der Reform bei der Zahnersatzversorgung im Jahre 2005, bei der befundbezogene Festzuschüsse in drei Bonusstufen eingeführt wurden, welchen das Prinzip zugrundeliegt, daß jeder Patient bei Vorliegen einer spezifischen Lückensituation und Überkronungsnotwendigkeit einen spezifischen Festzuschuß beanspruchen kann, unabhängig davon, welche Zahnersatzversorgung tatsächlich durchgeführt wird, können auch für implantatgetragene Suprakonstruktionen Festzuschüsse gewährt werden. Explizit darauf hinzuweisen ist, daß diese Festzuschüsse niemals für die Implantatbehandlung selber, sondern nur für den darüber anzufertigenden Zahnersatz gewährt werden.

1. Beispiel: Im Unterkiefer fehlt der erste Molar, ansonsten ist der Kiefer voll bezahnt. Für den Befund einer Zwischenlücke kann der Patient den Festzuschuß für eine Brücke mit zwei Pfeilern beanspruchen. Tatsächlich aber wird eine Krone auf einem Einzelimplantat eingegliedert. Für diese Einzelkrone wird der Festzuschuß für eine dreigliedrige Brücke gewährt. Da der Festzuschuß für 2 Kronen und ein Zwischenglied gewährt wird, tatsächlich aber die Suprakonstruktion nur aus einer Krone besteht, ist der Festzuschuß vergleichsweise hoch.

2. Beispiel: Im Unterkiefer fehlen 5 Zähne, die ersetzt werden sollen. Da Festzuschüsse für Brücken nur für maximal 4 fehlende Zähne pro Kiefer gewährt werden, wird in diesem Fall der Festzuschuß für eine Teilprothese mit gegossener Basis und Gußklammern zur Anwendung kommen, der niedriger ist als derjenige für Brücken.
Tatsächlich werden drei Implantate gesetzt, auf denen eine fünfgliedrige Brücke als Suprakonstruktion angefertigt wird. Der Festzuschuß deckt in diesem Fall nur einen geringen Teil der Gesamtkosten der Suprakonstruktion ab (ca. 10%).

3. Beispiel: Im zahnlosen Unterkiefer soll eine implantatgetragene totale Prothese auf zwei Implantaten befestigt werden, die damit der Prothese Halt geben (implantologische Minimalversorgung). Der Festzuschuß wird für die totale Prothese gewährt.

(Vor der Regelung aus dem Jahre 2005 konnte bei Beispiel 3 der Zuschuß für die totale Prothese dadurch erlangt werden, indem diese vor der Implantatbehandlung angefertigt wurde. Anschließend wurden nach erfolgreicher Implantation die Tertiärteile in die Prothese eingearbeitet. In Beispiel 1 und 2 hingegen konnte der gesetzlich Krankenversicherte überhaupt nichts von seiner Krankenkasse an Zuschuß beanspruchen; vereinzelt wurden kulanterweise Zuschüsse ohne Rechtsanspruch gewährt.)