Für Sie gelesen: (Zahnärztliche Mitteilungen 23/24, 2017)
Periodontitis marginalis ("Parodontose") und Allgemeinerkrankungen
In den 1960er Jahren hatte es in der Zahnheilkunde die
"Herdlehre" zu trauriger Berühmtheit gebracht: Jegliche
entzündliche Erkrankung in der Mundhöhle oder im Knochen,
gleich ob akut oder chronisch, sollte zu schweren Allgemeinerkrankungen
führen, gleich ob der Betroffene ansonsten gesund oder bereits
vorerkrankt war. Chronisch entzündliche Prozesse an der
Wurzelspitze eines avitalen Zahnes sollten ein "Streuherd" für
Bakterien sein und für ständigen Nachschub bei deren
Ausbreitung im Körper sorgen.
Folge war die Entfernung dieser und auch der angrenzenden Zähne,
um das beschriebene Geschehen zu unterbinden, was oftmals zur
frühzeitigen Zahnlosigkeit der Betroffenen führte.
Die darauf in der Zahnheilkunde einsetzende Gegenbewegung verneinte
zunächst jegliche Auswirkung entzündlicher Vorgänge in
der Mundhöhle auf den Gesamtorganismus und billigte lokalem
Entzündungsgeschehen allenfalls lokale Auswirkungen in
unmittelbarer Nachbarschaft zu, so z.B. den Übergang einer
apicalen Ostitis (Entzündung an einer Wurzelspitze) in einen
Abszeß oder bei ungünstigen Voraussetzungen in eine
Osteomyelitis (ausgedehnte Knochenentzündung).
Dennoch ließen sich die mitunter eintretenden Auswirkungen eines
Entzündungsgeschehen auf den Gesamtorganismus nicht völlig
ignorieren, und man begann, klinische Studien mit molekularbiologischen
Forschungen zu unterlegen, um die Pathomechanismen zu verstehen.
Heute, im Jahre
2017 ist es Konsens, daß Streuherde durchaus zur Absiedelung von
Bakterien führen können, nämlich dann, wenn das
Immunsystem nicht voll funktionsfähig ist, oder wenn an inneren
Organen Vorschäden existieren. Wichtigstes Beispiel hierzu ist das
Wiederaufflammen einer Endokarditis (Herzinnenhautentzündung)
durch bakterielle Absiedelung oder bei eingesetzten künstlichen
mechanischen Herzklappen.
Es ist zudem erwiesen, daß eine Parodontalerkrankung
- den Schweregrad eines Diabetes mellitus Typ II
(teilweise auch Typ I) erhöhen,
- den Schweregrad einer Rheumatoidarthritis erhöhen,
- Atherosklerose begünstigen,
- die Gefahr einer Frühgeburt erhöhen kann.
Eine Parodontalerkrankung wird begünstigt durch
- Tabakkonsum
- Diabetes mellitus Typ I und II.
Die Therapie einer Parodontalerkrankung kann
- den Schweregrad eines Diabetes mellitus senken helfen
- die Schwere einer Rheumatoidarthritis mildern
- das Fortschreiten einer Atherosklerose hemmen und zu
deren Prävention beitragen.
Die Prävention einer Parodontalerkrankung erfolgt durch
- adäquate, in der Zahnarztpraxis individuell
erarbeitete Mundhygiene (wichtigste Maßnahme!)
- gesunde Ernährung:
-
ballaststoffreich
-
Omega-3-Fettsäuren
-
Spurenelemente / Mineralstoffe: Mg, Zn, Se
- Tee
- Kurkuma
-
Vitamine (außer B12)
-
begünstigtWachstum probiotischer Bakterien,
(z.B. Lactobacillus reuteri, Bacterioides fragilis)
welche pathogene, agressive Bakterien verdrängen und
günstig für die
periodontale Gesundheit sind
-
wirkt durch ihre Bestandteile auch direkt entzündungshemmend