Sinuslift und gesteuerte Knochenregeneration

Zentrale Frage bei jeder Implantatplanung ist das verfügbare Knochenangebot:

Knochenqualität:
Eine durchschnittliche, typische Trabekelstruktur des Knochens bei guter Durchblutung bietet beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einheilung des Implantates. Bestrahlter Knochen zwecks Tumortherapie oder auch die Durchführung einer Bisphosphonattherapie (siehe Beitrag 7/2012) sind daher absolute Kontraindikationen für die Implantatinsertion, eine Osteoporose im Frühstadium, die noch nicht mit Bisphosphonaten behandelt wird, ist hingegen nur eine relative Kontraindikation. Eine Osteodensiometrie (Knochendichtemessung) kann gegebenenfalls Aufschluß geben.

Knochenvolumen: 
Wie man sich leicht vorstellen kann, müssen die Pfosten eines Gartenzaunes bestimmte Mindesttiefen im Erdreich haben, um die Zaunfelder tragen zu können, analog dazu gibt es Mindestlängen für Implantate, die nicht unterschritten werden dürfen. Generell gilt, je länger, desto besser!
Einzelimplattate müssen mindestens in 7 mm Länge knöchern einheilen, Implantate, die als Brückenpfeiler dienen, in 6 mm. Die optimale Länge beginnt allerdings erst dann, wenn der knöchern eingeheilte Anteil des Implantates mindestens die Länge der Suprakonstruktion aufweist.
Die typische Dicke eines schraubenförmigen Implantates liegt bei 4,1 mm, bei breitem Knochenangebot können zum Zwecke der Erhöhung der Kontaktfläche zum Knochen Implantate mit einem Durchmesser von 4,8 mm zum Einsatz gelangen, bei sehr schmalem Knochen sind durchmesserreduzierte verfügbar mit 3,3 mm. Letztere müssen dann aber mindestens 9 mm Einheillänge aufweisen. Um das Implantat herum sollte die Knochendicke zirkulär 1mm Dicke nicht unterschreiten.

Strategien zur Erhöhung des Knochenangebotes:
Leider trifft es sehr oft zu, daß diese Mindestanforderungen an das knöcherne Implantatbett primär nicht vorhanden sind, was zumeist daran liegt, daß nach Zahnentfernung relativ schnell der Knochen aufgrund funktioneller Inaktivität schrumpft. Papierdünne Kieferkämme im Unterkiefer und papierdünne Bedeckungen der Kieferhöhle im Oberkiefer sind keine Seltenheit.

Soll eine totale Unterkieferprothese nach langjähriger Tragezeit mit Implantaten auf dem geschrumpften Unterkiefer stabilisiert werden, ist oftmals nur die autologe Knochentransplantation möglich: Aus dem Hüftknochen, der Schädelkalotte, der Tibia (Schienbein) kann Knochen entnommen und auf dem Unterkieferknochen mit Schrauben fixiert werden; nach Einheilung kann implantiert werden. Trotz funktioneller Belastung unterliegt dieser Knochen einer langsamen Schrumpfung.

Einfacher hingegen gestaltet sich das Auffüllen kraterförmiger Knochendefekte: Mit Knochenersatzmaterial, vom Rinderknochen gewonnen oder auch künstlich hergestellt, kann der Defekt aufgefüllt werden, gegebenenfalls wird darüber eine Membran gelegt, um das zu rasche Einwachsen von Epithelgewebe zu verhindern und dem langsamer wachsenden Knochengewebe die Möglichkeit zu geben, das Knochenersatzmaterial zu resorbieren und körpereigenen Knochen im Defekt zu bilden.
Natürlicherseits bildet sich oftmals eine gerade Knochenlinie, so daß nicht unbedingt die Gefahr der erneuten Knochenschrumpfung im kraterförmigen Knochendefekt besteht. Sollte allerdings im Gebiet der Implantatinsertion ein Knochenbuckel vorliegen, so wird man als Implantologe natürlich geneigt sein, diesen als "Geschenk" zu betrachten - ein längeres Implantat kann verwendet werden. Aber auch wenn dieser Knochenbuckel nicht durch Knochenaufbau zustandegekommen ist, auch er wird schrumpfen, und der anfängliche Gewinn zusätzlicher Festigkeit für das Implantat geht schließlich verloren!

Ist die Breite des Knochens trotz Verwendung durchmesserreduzierter Implantate im Unterkiefer etwas zu gering, kann auf einfache Weise Knochen am Implantatrand aufgebaut werden: Die Späne, die bei der Präparation anfallen, können gesammelt und zum Aufbau am Rand des Implantates genutzt werden, vorausgesetzt, der Aufbau ist nicht über die gesamte Implantatlänge vonnöten. Eine Primärstabilität des Implantates ist unerläßlich!

Sinuslift
Muß der erste Molar im Oberkiefer entfernt werden, reicht beim Erwachsenen das Knochenangebot regelmäßig nicht aus, um an dieser Stelle zu implantieren: Oberhalb befindet sich die Kieferhöhle.
Je nach verfügbarer restlicher Knochendicke gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen des Knochenaufbaus in der Kieferhöhle, dem Sinuslift:
-Ist der zweite Molar oder der Weisheitszahn noch vorhanden, sollte der Lückenschluß besser mittels Brücke erfolgen und nicht mit einem Einzelimplantat, da der Sinuslift sich in diesem Fall außerordentlich schwierig gestaltete und zudem Gefahr für die Durchblutung und Vitalität des zweiten Molaren bestünde.
-Ein Knochenseptum, welches die Kieferhöhle an der Stelle des geplanten Sinusliftes in zwei Kammern teilt, macht einen externen Sinuslift nahezu unmöglich, auch in diesem Fall sollten Alternativen des Zahnersatzes überdacht werden.  
-Ist es notwendig, nur wenig zusätzlichen Knochen in der Kieferhöhle aufzubauen, etwa 1-2 mm, so kann dies mittels internem Sinuslift erfolgen: Das Implantat wird eingebracht, wobei die Restdicke des Knochens zur Kieferhöhle hin bei der Präparation unbedingt noch 1-2 mm betragen muß. Mit einem Bleihammer und geeigneten Ansatzstücken wird das Implantat ins knöcherne Lager weiter hineingetrieben, der Kieferhöhlenboden hebt sich etwas an, ohne daß er perforiert wird; danach erfolgt der übliche Wundverschluß.
-Ist das Knochenangebot hingegen geringer, kommt der externe Sinuslift zum Einsatz:
Nach Freilegung des seitlichen Oberkieferknochens wird mit einer dicken diamantierten Kugelfräse der Knochen bis auf die Kieferhöhlenmembran vorsichtig weggefräst, der Knochendeckel unter Erhalt der Membran nach innen eingeklappt. In die so entstandene Höhle wird Knochenersatzmaterial eingebracht, beispielsweise ein vollsynthetisches Hydroxylapatit. Eine Membran sollte zur Abdeckung aufgebracht werden, danach erfolgt der Wundverschluß. 
Ist zumindest soviel Knochen vorhanden, daß das Implantat primärstabil verankert werden kann, sollte es auch in derselben Sitzung eingebracht werden, andernfalls müssen 6 Monate abgewartet werden, bevor im aufgebauten Bereich implantiert werden und die Einheilzeit für das Implantat erst dann beginnen kann.

(Für interessierte Patienten: Zu Übungszwecken wird in den einschlägigen Kursen oftmals ein rohes Ei benutzt, in dessen Schale unter Erhaltung der Eihaut ein Deckel gefräst und eingeklappt wird. Mitunter noch empfindlicher als die Eihaut aber ist die Schneidersche Membran, die Schleimhaut, welche die Kieferhöhle auskleidet! Ist diese intraoperativ doch eingerissen, kann der Operateur versuchen, den Riß mit einem künstlichen Blutkoagulum zu schließen, welches aus Rinderblut hergestellt wird.)