Zahntransplantationen und -replantationen
Allotransplantation
Lange bevor Zähne mittels Implantaten ersetzt werden konnten,
gab es Überlegungen und Versuche, verlorengegangene Zähne
mittels Zahnverpflanzungen zu ersetzen.
Zu Zeiten, in denen man über die Abstoßung fremder Organe
und Gewebe noch nichts wußte, wurde immer wieder versucht,
Zähne von Mensch zu Mensch zu übertragen, nicht ohne Erfolg!
Pierre Fouchard (1678 - 1761) beschrieb im 18. Jahrhundert die
erfolgreiche Eckzahntransplantation von einem Rekruten an einen ihm
vorgesetzten Hauptmann. Dazu hatte der Hauptmann seine Garde antreten
lassen, um die Auswahl des passenden Eckzahnes an seinen Untergebenen
höchstselbst vorzunehmen. (Was der erwählte Spender davon
gehalten hat, ist nicht überliefert, es ist aber zu vermuten,
daß er freudig alle Unbill auf sich nahm, um seinen Hauptmann
zufriedenzustellen!)
Unnmittelbar nach Extraktion des Zahnes verbrachte Fouchard diesen in
die offene Alveole des Hauptmanns und fixierte ihn mit einer an den
Nachbarzähnen befestigten Schiene. Nach einigen Tagen begann der
Zahn dem Hauptmann gar fürchterlich zu schmerzen, was Fouchard
dahingehend interpretierte, die Nerven wären jetzt in den
transplantierten Zahn eingewachsen. Fouchard behandelte daraufhin
konservierend weiter, trepanierte den Zahn (bohrte ihn auf) und versah
ihn nach einigen Tagen mit einer Wurzelfüllung. (Natürlich
ist heute bekannt, daß die Schmerzen keineswegs von wieder
eingewachsenen Nerven hervorgerufen, sondern durch akut eitrig-
entzündliche Prozesse verursacht wurden, wie sie als Reaktion auf
totes Pulpengewebe eintreten können.) Nach dem Abklingen der
Beschwerden, blieb der Zahn dem Hauptmann noch etliche Jahre erhalten,
bis er schließlich wieder durch "Zahnfraß" (Fouchard)
zerstört wurde.
Natürlich verbietet sich heute die Allotransplantation von
Zähnen aus medizinischen und ethischen Gründen, es ist aber
festzuhalten, daß im Unterschied zur Organtransplantation keine
immunsuppressiven Medikamente nötig wären, die die
Abstoßung des Transplantates verhindern sollen, denn die
Entzündungsreaktion, die beispielsweise Niere oder Leber zur
Abstoßung bringt, bewirkt beim Zahn im Knochen des Gegenteil: Er
verbindet sich mit dem Knochen, allerdings nicht mit Bindegewebsfasern
wie bei natürlichen gesunden Zähnen und damit beweglich,
sondern knöchern und fest.
Etwa 4 bis 5 Jahre könnte ein solcher Zahn in Funktion bleiben,
bevor seine Wurzel durch die Knochenzellen wie beim Milchzahn
resorbiert wäre und er ausfiele.
Replantation von Zähnen
Traumatisch verlorengegangenen und wieder eingesetzten
Frontzähnen oder auch extrahierten, außerhalb der
Mundhöhle resezierten und replantierten Seitenzähnen droht
jedoch das gleiche Schicksal: Auch wenn hierbei eine
Abstoßungsreaktion aufgrund von Gewebeunverträglichkeit
nicht zu befürchten ist, regeneriert sich der bindegewebige
Zahnhalteapparat zumeist nicht. Nach einigen Tagen recht unangenehmer
Schmerzen an der Replantationsstelle, die meist weitaus schlimmer sind
als nach dem Setzen von Implantaten, heilt der Zahn knöchern ein
und wird fest, zugleich aber setzt der Resorptionsprozeß der
Wurzel ein, der nach 5 Jahren den Zahnverlust bewirkt.
Auch ein Wiederanschluß der Blutgefäße und
Nervenfasern an die noch vitale Pulpa eines herausgeschlagenen
Frontzahnes ist bei abgeschlossenem Wurzelwachstum nicht zu erwarten,
weshalb eine exakte Wurzelfüllung unverzichtbar ist.
Anders ist es, wenn das Wurzelwachstum noch nicht abgeschlossen ist:
Ein Anschluß an die Blutversorgung ist zumindest wahrscheinlich.
Diese Ausführungen, die auch auf eigenen klinischen Beobachtungen
beruhen, legen daher folgende Schlüsse nahe: Die Replantation von
traumatisch verlorengegangenen Frontzähnen sollte bei Kindern und
Jugendlichen immer durchgeführt werden, sofern möglich. Die
Aufbewahrung der herausgeschlagenen Zähne sollte bis zur
Notfallversorgung in Zahnrettungsboxen mit 0,9% (physiologischer)
Kochsalzlösung erfolgen, alternativ auch in Milch (sollte nichts
dergleichen verfügbar sein, auch im Mund, am besten unter der
Zunge, wobei aber die permanente Gefahr des Verschluckens oder
Aspirierens besteht); die Replantation muß spätestens 6
Stunden nach dem Unfall erfolgen, länger wird auch in der
Rettungsbox das Bindegewebe des Zahnhalteapparates kaum überleben.
Auch wenn im ungünstigen Fall der Zahn knöchern einheilt und
die Wurzelresorption beginnt, so kann der replantierte Zahn noch 5
Jahre seine Funktion behalten, so daß ab dem 18. Lebensjahr des
Jugendlichen als Anschlußbehandlung die Implantation möglich
wird, die im vorher noch wachsenden Kiefer kontraindiziert ist.
Aus den genannten Gründen erscheint zugleich die Replantation von
außerhalb der Mundhöhle behandelten Zähnen nicht
sinnvoll: Fünf Jahre, die der so behandelte Zahn noch in Funktion
bleiben kann, sind keine gute Alternative zur Implantatbehandlung, die
Schmerzen nach der Replantation sind zudem, wie schon erwähnt,
nicht zu unterschätzen.
Zwei Außenseitermethoden der Replantation von Zähnen seien noch erwähnt:
Auch nach Wochen des Zahnverlustes kann der ausgeschlagene Zahn wieder
eingesetzt werden, dazu muß er zunächst mit Calzium- EDTA
und Zitronensäure von jeglichem organischen Material auf der
Wurzeloberfläche befreit werden, auch eine exakte
Wurzelfüllung muß durchgeführt werden. Ist dies
geschehen, kann der Zahn in die verheilende, wieder etwas aufgebohrte
Alveole eingesetzt werden, analog einem individuell hergestellten
Implantat. Amelogenin, ein von Schweinen gewonnenes Protein, kann zur
besseren Einheilung und zur Anregung des Knochenwachstums zum Einsatz
kommen.
Natürlich beginnt auch hierbei zugleich die schon erwähnte
Resorption der Wurzel, wie auch bei der folgenden Methode, bei der ein
durch entzündlichen Knochenverlust locker gewordener Zahn, mit
einer Wurzelfüllung behandelt und anschließend entfernt
wird.
Danach wird die Alveole mit einer Knochenfräse vertieft und
erweitert, so daß der Zahn unterhalb der Kauebene darin wieder
fixiert werden kann. Die Wurzel wird auch hierbei vor dem Replantieren
mit Amelogenin beschickt. Nach dem Einheilen und Festwerden muß
zur Rekonstruktion der ursprünglichen Höhe der Zahnform
überkront werden.
Autologe Transplantation
In einem engen Zeitfenster des Lebens kann folgende, mit guten
Aussichten der Vitalerhaltung des transplantierten Zahnes verbundene
Methode zum Einsatz gelangen:
Muß ein erster Molar bei Jugendlichen entfernt werden und sind
bei ihm zugleich Weisheitszähne angelegt, deren Wurzelwachstum zu
nicht mehr als zwei Drittel abgeschlossen ist und besteht bei den
Weisheitszähnen ohnehin aus Platzgründen die Notwendigkeit
der operativen Entfernung, so kann ein operativ entfernter
Weisheitszahn in die Extraktionsalveole eingesetzt werden.
Zweckmäßigerweise sollte dies fünf Tage nach der
Zahnentfernung geschehen, da das Granulationsgewebe in der Alveole dann
bessere Bedingungen zum Anschluß der Blutversorgung an den
Weisheitszahn bietet. Da der zu transplantierende Weisheitszahn immer
eine andere Wurzelform als der zuvor extrahierte Zahn hat, muß
schon bei der Extraktion das knöcherne Septum in der Alveole
entfernt werden, die Kieferhöhle darf nicht eröffnet sein.
Das Einbringen unterhalb der Kauebene ist nicht nachteilig; wenn das
Wurzelwachstum weitergeht, stellt sich der Zahn in der Kauebene
regelrecht ein. Gegebenenfalls muß die Okklusion geringfügig
eingeschliffen werden.
Solcherart transplantierte Zähne können jahrzehntelang in
Funktion bleiben, Statistiken legen dafür eine Erfolgsaussicht von
50-80% nahe. Erfolgt der Anschluß der Blutgefäße
nicht, muß eine Wurzelfüllung erfolgen und es ist mit einer
Funktionsdauer des Zahnes von 5 Jahren zu rechnen, sofern er nicht
alsbald wieder entfernt werden muß.
Bei Vitalerhaltung des Zahnes in seiner neuen Funktion im
Kaudruckzentrum aber ist seine Prognose derjenigen eines Implantates
mit durchschnittlich 12 - 15 Jahren Tragedauer weit überlegen, so
daß bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen und Alter des
Jugendlichen die autologe Weisheitszahntransplantation immer einen
Versuch wert sein sollte.