Wie sinnvoll sind Zahnzusatzversicherungen?

Oft werden wir von unseren Patienten gefragt, ob wir den Abschluß einer Zahnzusatzversicherung empfehlen könnten.
Stellt man diese Frage den Vertretern der Versicherungsbrache, so lautet die Antwort natürlich, eine solche Versicherung sei unverzichtbar.
Um zu einer sinnvollen persönlichen Entscheidung zu kommen, lohnt ein Blick in die Arbeitsweise und den Zweck einer Versicherung: Die Risiken sollen verteilt werden. Immer muß es daher mehr Versicherungsnehmer geben, die während des Versicherungsverlaufes mehr einzahlen, als sie jemals erstattet bekommen zugunsten einiger weniger Versicherungsnehmer, die im Versicherungsfall mehr erstattet bekommen, als sie jemals selbst an Prämien aufgebracht haben.
Da die Versicherung Angestellte beschäftigt, kommen bei der Prämienkalkulation natürlich noch die Verwaltungskosten hinzu.
(Das Argument, daß die eingenommenen Prämiengelder am Kapitalmarkt angelegt werden zugunsten der Versicherungsnehmer, zählt bei dieser Betrachtung nicht mit, denn die Anlage könnte ja jeder Versicherungsnehmer auch selbst tätigen.)

Wenn man also mit großer Wahrscheinlichkeit beim Abschluß einer Versicherung damit rechnen muß, mehr Geld an Versicherungsprämien einzahlen zu müssen, als man je zurückerhalten wird, so lohnt sich daher die Versicherung eines Risikos nur dann, wenn das Schadensereignis einerseits sehr selten eintritt, andererseits aber so große finanzielle Belastungen mit sich bringt, daß der persönliche finanzielle Ruin die Folge wäre.
Durch die Seltenheit des Ereignisses sind dementsprechend die Versicherungsprämien recht niedrig.
Klassisches Beispiel einer solchen Versicherung ist die Brandversicherung eines Hauses, und folgerichtig waren im 18. Jahrhundert die Feuerkassen auf Gegenseitigkeit die ersten Versicherungen überhaupt.
Das gleiche Prinzip liegt der persönlichen Haftpflichtversicherung zugrunde- der Abschluß einer solchen wird in jeder Beratung zu Versicherungsfragen uneingeschränkt empfohlen und wir können uns dieser Aussage nur anschließen. (Aus den gleichen Gründen hat der Gesetzgeber für jeden Kfz.-Halter den Abschluß einer Kfz.-Haftpflichtversicherung vorgesehen, deren Notwendigkeit keiner weiteren Erörterung bedarf.)

Wie ist die Situation bei Krankenversicherungen?
Wenige Patienten bekommen Krankheiten, die sehr hohe Kosten verursachen, z. B. in der Transplantationsmedizin, der Neonatologie (der Versorgung von Frühgeborenen), der Behandlung schwerer Unfallfolgen etc.. Hier greift das gleiche Risikoprinzip wie bei einer Feuerversicherung.
Viele Patienten hingegen bekommen Krankheiten, deren Diagnostik und Therapie keine sonderlich hohen Kosten verursachen. Diese Risiken sind nach dem klassischen Verständnis der Arbeitsweise einer Versicherung eigentlich gar nicht versicherbar, denn sie treffen ja jeden Menschen im Verlauf seines Lebens. (Man schließt ja auch keine Versicherung gegen Hunger ab, die dann die Kosten des Einkaufs im Supermarkt tragen würde.)
Nun ist in der Medizin die Abgrenzung von teuren und seltenen Risiken zu häufigen und wenig kostenintensiven Risiken kaum möglich- fast alle diesbezüglichen Versuche der Ausgliederung von Leistungen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung zum Zwecke von Kosteneinsparungen sind bekanntlich gescheitert. Hinzu kommen soziale Aspekte, denn es sollen ja auch Menschen mit geringem Einkommen ärztliche Behandlungen auch von wenig kostenintensiven Krankheiten in Anspruch nehmen können.
Eine Ausnahme stellen hingegen zahnärztliche Behandlungen dar.
Dieser abgegrenzte und auch gut abgrenzbare Bereich der Medizin verursacht bei den meisten Patienten über das ganze Leben betrachtet etwa die gleichen Kosten; (Ausreißer nach oben sind sehr selten).
Für die einzelnen Behandlungsmaßnahmen gilt, daß deren Kostenumfang selbst bei hohem Aufwand weit unter denjenigen beispielsweise eines Pkw- Kaufes bleibt. Es ist nicht zu erwarten, daß ein Umfang von mehreren Hunderttausend Euro erreicht wird wie z. B. bei der Behandlung schwerer Unfallfolgen. Die Versicherung von zahnärztlichen Leistungen in der GKV hat also allein soziale Gründe. Daher sind in vielen europäischen Ländern Zahnbehandlungskosten auch nicht Bestandteil der Basiskrankenversicherung.
Die persönliche Planung dieser Ausgaben im Verlauf des Lebens wird nun aber enorm erschwert durch deren Unvorhersehbarkeit und Diskontinuität. Auch bei Einhaltung der empfohlenen halbjährlichen Kontrolltermine kann sich plötzlich nach Jahren der Unnötigkeit jeglicher Behandlungsmaßnahmen größerer Behandlungsbedarf ergeben, der weder vorhersehbar war noch sich angestaut hätte. In dieser Situation erscheint es dann ganz angenehm, wenn eine Versicherung für die Kosten aufkommt.

So muß man sich denn als potentieller Versicherungsnehmer die Frage stellen, ob man für diesen Fall die nötige finanzielle Vorsorge allein treffen will und kann, oder ob man besser eine Versicherung das dafür nötige Kapital ansparen lassen will (zuzüglich der Verwaltungskosten).
Beim Abschluß des Vertrages zu einer Zusatzversicherung muß neben der Höhe der monatlichen Prämien vom gesetzlich krankenversicherten Versicherungsnehmer folgendes unbedingt geprüft werden: 
-Was soll versichert werden? Sind es nur die Eigenanteile der Regelversorgung mit Zahnersatz, oder werden auch andersartige  Zahnersatzarbeiten versichert? (Wenn z. B. beim Fehlen von mehr als 4 Zähnen im Kiefer die Regelversorgung eine  herausnehmbare Modellgußprothese ist, man als Patient aber eine zahnmedizinisch mögliche, jedoch viel kostenaufwendigere,  nicht herausnehmbare Brückenversorgung bevorzugt, welche Kosten werden dann von der Zusatzversicherung getragen? Werden  Implantatbehandlungen und deren Suprakonstruktionen ganz oder teilweise übernommen, wenn ja, bei welchem Befund, bis zu  welcher Anzahl von Implantaten, bis zu welcher Kostenhöhe?) 
-Sind Leistungen mitversichert, die nicht im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sind? (Hierzu zählen  z. B. aufwendige Zahnerhaltungsmaßnahmen mit Wiederherstellung des Zahnhalteapparates mittels gesteuerter  Geweberegeneration, funktionsanalytische und -therapeutische Maßnahmen zur Verbesserung des Kauflächenreliefs und  Beseitigung von Vorkontakten, Biofeedback- Therapie bei Craniomandibulärem Dysfunktionssyndrom (Knirschen,  Muskelverspannungen), aus rein ästhetischen Gründen veranlaßte hochwertige vollkeramische Restaurationen, internes Bleichen  einzelner verfärbter Zähne, Erwachsenenkieferorthopädie, etc.. 
-Werden Prophylaxeleistungen erstattet?
-Habe ich wahrheitsgemäß alle Fragen nach Vorbehandlungen beantwortet? (Im Falle eines bekannten, der Versicherung aber vorab  nicht mitgeteilten höheren Karies- und Periodontitisrisikos drohen Leistungsausschluß im Versicherungsfall oder die individuelle Nachkalkulation der Prämienzahlungen!)

Ein Hinweis noch:
Natürlich werden wir die Fragen unserer Patienten in der Praxis zu Zahnzusatzversicherungen individuell beantworten, uns dabei aber auf die Beschreibung der erhobenen zahnärztlichen Befunde und deren mögliche zukünftige Konsequenzen beschränken. Dabei sind wir aber genausowenig Hellseher wie Sie! Unsere Langzeitbeobachtung bringt auch nach über 20 Jahren zahnärztlicher Tätigkeit immer wieder Überraschendes zum Vorschein. Zähne, bei denen wir die Aussage trafen, daß sie wahrscheinlich nur noch wenige Monate erhalten werden können, sind 8-10 Jahre später immer noch vorhanden, scheinbar sehr widerstandsfähige Strukturen in der Mundhöhle hingegen können in kürzester Zeit ihre Stabilität verlieren. Statistisch begründete Aussagen über die durchschnittliche Haltbarkeit von Füllungen oder Kronen lassen kaum Rückschlüsse auf den Einzelfall zu!

Keinesfalls sprechen wir Empfehlungen für oder gegen eine bestimmte Versicherung aus.
Die persönlichen Schlußfolgerungen aus unseren Aussagen aber treffen ganz allein Sie als Patient und potentieller Versicherungsnehmer!